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Die Zukunft des Essens

Wir leben in spannenden Zeiten. Genau genommen, in dem dem Moment, in dem zwei Dinge zusammen kommen: unglaubliche technische Möglichkeiten, die einem immer schnelleren technologischen Fortschritt entspringen, und das drohende Jahr 2050. Dann soll die Weltbevölkerung knapp 10 Milliarden Menschen erreicht haben. Wie ernähren wir all diese Menschen mit den begrenzten Ressourcen unserer Erde. Ein naheliegender Ansatz ist sicherlich das aktuelle Konsumverhalten zu hinterfragen. Müssen wir z.B. so viel sehr ressourcenintensives Fleisch essen (die Produktion von 1 Kg Fleisch verbraucht alleine 150.000l Wasser), müssen wir in einem Teil der Welt einen Überfluss haben, der dazu verleitet pro Person im Jahr 82 kg Lebensmittel weg zu schmeissen – nur aus Wohnungen und Kühlschrank (da sind Verlust von „unperfektem“ Gemüse beim Bauern und dem MHD-nahen Lebensmittel im Laden noch nicht einmal eingerechnet). Oder was können wir von anderen Kulturen lernen, wie den Konsum von Insekten als Proteinquelle? Also auf gut Deutsch: was können wir an Konsum und Verteilung ändern, wie leben wir nachhaltiger mit den gegebenen Ressourcen? Aber auch am anderen Ende des Spektrums erkunden „Food Futurists“ neue Wege, die sich aus dem technologischen Fortschritt ergeben: können wir uns mit perfekt ausbalancierten Pülverchen ernähren, wie Soylent oder Huel? Mit Fleisch aus dem Reagenzglas? Was gibt es für alternative Proteinquellen: Insekten? Swarm Protein, Plumento-Foods und SnackInsects machen das vor. Wie können wir echte Urban Farms haben, die zur unmittelbaren Versorgung der Städter beitragen? InFarm baut in Supermärkten direkt Salate an, Agrilution entwickelt ein Mini-Gewächstaus für den Hausgebrauch. Da sind viele kluge Köpfe unterwegs, und dabei eine Gruppe, die auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich erscheint: Designer. Und sie liefern interessante Denkanstöße. Denn sie nähren sich dem Thema nicht aus der Branche, haben oft keine Erfahrung in Landwirtschaft oder Lebensmittelproduktion. Vielmehr greifen sie das Thema mit ihrer Erfahrung auf, zu gestalten, und abstrakten Ideen Form zu geben. Was nicht bedeutet, dass es sich dabei nur um absurde Spinnereien handelt: oft forschen Food Designer zusammen mit Wissenschaftlern. Die Ausstellung „Food Revolution 5.0“ hat in Hamburg und Berlin einen faszinierenden Querschnitt von Ideen gezeigt. Dabei sind die Konzepte ganz unterschiedlich: einige Projekte könnte man morgen umsetzen, andere hätten sicherlich mittelfristig Potential. Andere sind Zukunftsmusik, die man sich aktuell noch gar nicht vorstellen kann. Dazu gehört die Idee von Austin Stewart, Geflügel in den Legebatterien doch einfach eine heile Welt per VR Brille vorzugauckeln „Second Livestock“. Kann man natürlich auch machen: nicht die Probleme lösen, sondern einfach ausblenden. Wenn das auch eine unrealistische Lösung ist, so ist es doch ein faszinierender Denkanstoß. Einer, der aufrüttelt.

Second livestock – Austin Stewart

Ähnlichen Effekt hat das Konzept von Cloe Rutzerveld  – „In Vetro Me“ ist ein kleiner Bioreaktor, der wie ein Schmuckstück getragen die eigenen Muskelgewebe vermehrt. Man ist sozusagen seine eigene kleine Proteinfabrik. Auch kein schlechter Gedanke: Wenn ich Fleisch essen will, warum nicht mein eigenes?

In vitro me – Cloe Rutzerveld

Deutlich schneller Realität werden könnten sind Konzepte wie „Algaculture“ von Michael Burton und Michiko Nitta: Für jeden seine eigene tragbare Algenfarm (Proteinlieferant!), die sich vom eigenen CO2-Ausstoß nährt (siehe Foto oben). „Greenhouse pigs“ von Gottlieb Paludan hingegen ist ein Gebäude, das Schweinefarmen und Gemüseproduktion effizient integriert: Schweine unten, Gemüse oben im Gewächshaus – das durch die überschüssige Wärme der Schweinemast, sowie Biogas beheizt wird. Das Biogas wiederum wird aus der Gülle und Schlachtabfällen produziert.

Wer lieber Ideen sieht, die sich sofort umsetzen lassen, dem sei Marina Mellados Projekt „Neurogastronomy“ empfohlen. Sie hat Geschirr und Besteck entworfen, das Patienten mit Orthorexia Nervosa hilft. Die Objekte sind basierend auf neurologischen Erkenntnissen so designed, das bei Betroffenen mit dieser Essstörung Angstgefühle vermieden werden.

Um es kurz zu sagen: Wir leben in interessanten Zeiten.

Wer mehr lesen will zu Design & Food, dem empfehlen wir MOLD Magazine.

Isst du noch oder gründest du schon? Gedanken über Food Start-ups

„Trotz Crowdsourcing in die Insolvenz“ titelte eine der online Gründerzeitschriften am Dienstag, als die Insolvenz des Food Start-ups BBque bekannt wurde. Ein Gründerteam mehr, dessen Traum auf den harten Tatsachen des Lebensmittelhandels zerschellte. BBque hatte die Vision, ihre bayrische Heimat und die Kultur von BBQ-Soßen zu verbinden. In Rezepten, und auch bei der Auswahl von Zutaten. Das scheint auch gut gelungen, zumindest waren sie seit ihrer Gründung 2015 recht erfolgreich unterwegs, verkauften ihre Soßen im klassischen Lebensmittelhandel, brachten neue Produkte wie Rubs auf den Markt und gewannen sogar zumindest einen strategisch sehr wertvollen Investor, nämlich Develey. Das ist einer der führenden Produzenten von allem was auf deutschen und europäischen Tellern so in Sachen Soßen, Senf etc unterwegs ist. So eine Partnerschaft in einem frühen Stadium ist Gold wert, denn mit einem solchen Investor kommt nicht nur Geld in die Kasse, sondern Know-how, Produktionskapazitäten und – last but not least – Vertriebskontakte.

In positiven Emotionen baden
Nun also die Insolvenz, „trotz Crowd“. Vielleicht lehrt uns das ja was. Zum einen, dass Crowdinvesting immer noch ein Risikoinvestment ist, nicht jeder Konsument weiss, wie man ein Investment bewertet, und dass Food vielleicht das härteste Business ist, das man sich aussuchen kann, egal wie sexy schick designte Flaschen auf Instagram daherkommen mögen. Es ist ein Business mit geringen Margen, egal wohin man guckt, und einem Wettbewerb, der seinesgleichen sucht. Es ist ein Business, das unglaublich viel Spass macht, weil die meisten Menschen positive Emotionen haben bei allem rund um die Themen Essen und Trinken, und als Gründer sind das mitreissende Emotionen. Sie geben einem Kraft und lassen einen weiterschwimmen gegen den Strom. Bis einem dann irgendwann die Kraft ausgeht. So wie BBque jetzt. Oder auch mir vor einigen Jahren. Ich hatte meine Foodmarke in den USA gegründet. Wir stellten Pickles, Ketchup, Relishes, Hot Sauces und Marmeladen her aus alten Sorten her, sogenannten Heirlooms. Die Idee: Massenprodukte, die mit schlechter Rohware hergestellt werden, brauchen viele Additive und Geschmacksverstärker. Wenn man nun alte Sorten von Obst und Gemüse nimmt, anstatt geschmacklose Züchtungen, die von der industriellen Landwirtschaft heimgesucht wurden, hat man bessere und gesündere Produkte. Und rettet nebenher ein bisschen die Welt, denn diese alten Sorten sind häufig vom Aussterben bedroht, so wie unsere Flagship-Gemüsesorte: Die Beaver Dam Pepper. (Oben im Bild: die Produktionslinie für unsere Pickles.) Das klingt jetzt nicht mehr ganz so neu, war 2010 aber ein ziemlich revolutionäres Konzept für den breiten Lebensmittelhandel.

Und dann ist er da: der Wettbewerb
Und auch wir hatten viele tolle Erfolge: nationale Listings, Liebesbriefe von glücklichen Kunden, positive Presse, steigende Umsätze… aber auch irgendwann immer mehr Wettbewerb. Von anderen kleinen Food Start-Ups, und von etablierten Unternehmen, die schneller auf neue Trends aufspringen können, als ein Food Start-Up ohne Millionen unter dem Gürtel Barrieren aufbauen kann gegen Wettbewerber. Die schon Vertrieb haben und einen Platz im Regal und im Zweifel das notwendige Kleingeld, sich einen neuen Regalplatz dazu zu kaufen. Oder die Händler machen es gleich selber, denn wo es vor zehn Jahren eine Handelsmarke gab im Supermarkt, unten im Regal für die Basislebensmittel, hat jetzt jeder Händler ein ausdifferenziertes Konzert von Eigenmarken im Regal. Etablierte Lebensmittelproduzenten wachsen irgendwie auch alle in die gleichen Segmente – so hat jeder Senfhersteller in den letzten zwei Jahren seine eigenen BBQ Sossen auf den Markt gebracht. Weil, war ja ein Trend, das mit dem BBQ. Tja. Was soll man da sagen?

Wenn man eine gute Idee für ein Food Start-up hat, dann soll man machen, immer noch. Mit Leidenschaft und Schnauze. Man muss die Balance finden aus „wirklich neu“, damit man in Schwung kommt, bevor die Nachahmer da sind, und „nicht zu neu“, damit man schnell viele potentielle Kunden erreicht. Nur dem Packaging ein Hipster Design überstülpen reicht auf Dauer nicht. Man muss sich mit den Regeln auseinandersetzen, mit den Konditionen des Markts und dann starten, wenn im Business Plan eine Perspektive erkennbar ist.

Aber ich widerspreche ganz entschlossen Thesen, dass die Welt unbedingt neue Food Start-ups will und braucht, weil Konsumenten Emotionen und Geschichten wollen, und nur Food Start-ups dieses Begehren bedienen können. Nein, lieber Frank Thelen, dass stimmt so nicht (und wenn ich dich jetzt falsch zitiere, bitte ich um Entschuldigung, wurde mir so von einem deiner Vorträge berichtet). Die „Die Höhle der Löwen“ Erfolgsgeschichten haben in großem Maße mit der Bühne zu tun, auf der sie gelauncht werden, und den wenigsten Food Start-ups steht diese Bühne zur Verfügung. Ja, Konsumenten mögen Emotionen und Geschichten, aber sie sind auch ihrem Geldbeutel verbunden. Und die, die Emotionen und Geschichten über alles stellen, die vierteilen sich, um ihre Liebe allen verfügbaren Food Start-ups zu geben – so kommt dann keiner über die kritische Hürde, um ein nachhaltiges Business aufzubauen.

Also, Fazit: Liebe ja, aber nicht zu viel. Lieber harte Zahlen!

P.S. Interessierte Food Start-Ups mit Fragen zum Business können mich erreichen unter lee (at) foodunplugged (dot) de

Bier rettet die Welt

Craft beer ist so 2016 – die Start-ups die mit Bier von sich reden machen aktuell sind Regrained und Toast Ale. Beide vereint, dass sie sich auf innovative Art und Weise gegen Lebensmittelverschwendung einsetzen. Und weil die Ideen nicht nur gut, sondern die Produkte auch top sind, erleben beide Projekte gerade den wohlverdienten Buzz.

Regrained aus Californien macht aus dem Treber, der nach der Bierproduktion überbleibt, Müsliriegel. Die Idee kam den beiden Gründern während des Studiums. Sie wollten gutes Craft beer trinken, konnten sich das aber nicht leisten und fingen so an selbst zu brauen. Und ärgerten sich über die Massen von eigentlich noch nahrhaftem und schmackhaften Getreideresten, die sie in den Müll kippen mussten. Also fingen Sie erst an, Brot zu backen und kamen dann auf die Idee mit den Müsliriegeln. 2012 gründeten Sie Regrained. Mittlerweile arbeiten sie mit kleinen urbanen Brauereien zusammen, für die der Verkauf des Treber an Futtermitterhersteller keine Option ist und erweitern ihr Verkaufsgebiet Schritt für Schritt. Aber Müsliriegel sind nur der Anfang: Die Gründer arbeiten mittlerweile mit der US-Behörde „Food & Drug Administration“ zusammen, um neue Technologien und Methoden zur Weiterverwertung aller „Abfallprodukte“ der Bierproduktion zu entwicklen. Allen voran: Mehl. Mehr über ihr Projekt „Food Waste Alchemy“ (Alchemie der Resteverwertung) könnt ihr hier lesen.

Toast Ale ist eine britische Initiative, die Lebensmittel retten will und auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam. Dazu brauen sie seit 2015 ein Bier, dass altes Brot in der Produktion verwendet. Denn in UK werden von Haushalten alleine 24 Mio. Scheiben Brot pro Jahr weggeworfen. In jeder Flasche steckt eine Scheibe Brot. Die Idee kam dem Gründer durch ein ähnliches Projekt des Brussels Beer Project. Und auch die hatten sich „nur“ von Babylon inspirieren lassen. Dort wurde nämlich schon vor 7,000 Jahren Bier aus Brot gebraut. Toast Ale ist ein gemeinnütziges Projekt: Alle Gewinne gehen an eine Stiftung gegen Lebensmittelverschwendung. Und wer zu Hause sein eigenes Bier aus altem Brot brauen will, für die hat Toast Ale sogar das Rezept auf ihrem Blog zur Verfügung gestellt.